Sachverhalt
Der Kläger war seit dem Jahr 1999 als Vertragsbediensteter im Betrieb der beklagten Partei beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis fußt auf der Vertragsbedienstetenordnung (VBO).
Am 6. August 2022 nahm der Kläger während seines Krankenstands (in Folge von Depressionen) an einer nächtlichen Feier seines Motorradclubs teil. Festgehalten wird, dass der behandelnde Arzt keine Beschränkung der Ausgehzeiten vermerkte.
Die beklagte Partei entdeckte kurze Zeit später Bilder, die den Kläger bei der Teilnahme an der Feier zeigten.
Die beklagte Partei löste daraufhin das Dienstverhältnis vorzeitig auf. Sie sprach die Entlassung aus.
Der Kläger begehrte sodann die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses über den Auflösungszeitpunkt hinaus. Er bekämpfte die Entlassung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt, da das Erstgericht nicht feststellte, dass der Besuch einer privaten Veranstaltung geeignet wäre, den Heilungsverlauf hintanzuhalten.
Rechtliche Beurteilung durch den OGH
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hielt fest, dass sich der erkrankte Arbeitnehmer im Krankenstand so verhalten muss, dass er möglichst rasch wieder in der Lage ist, seine Arbeitsfähig wieder herzustellen (vgl Ris-Justiz RS0060869). Bereits die Eignung eines Verhaltens, das den Krankheitsverlauf negativ beeinflusst oder den Heilungsprozess verzögert, kann einen Entlassungsgrund darstellen (vgl Ris-Justiz RS0029337).
Darüber hinaus ist bei der Klärung der Frage, ob ein Arbeitnehmer den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit verwirklicht hat, nicht auf das bloße subjektive Empfinden des Arbeitgebers abzustellen. Vielmehr ist eine objektive Wertung des konkreten Verhaltens des Arbeitnehmers vorzunehmen.
Weiters hat der Arbeitgeber das Vorliegen eines Entlassungsgrundes zu behaupten und zu beweisen. Unklarheiten im Hinblick auf das tatsächliche Vorliegen eines Entlassungsgrundes gehen daher zu Lasten der beklagten Partei. Dies betrifft auch die Frage, ob ein Verhalten im Krankenstand geeignet sein kann, den Heilungsverlauf zu gefährden.
Der OGH gelangte zum Ergebnis, dass die Entlassung unzulässig war.
Bedeutung der Entscheidung für die Praxis
In derartigen Konstellationen ist einzig und alleine das Verhalten des Arbeitnehmers entscheidend. Maßgeblich ist, ob das konkrete Verhalten des Arbeitnehmers den Heilungsprozess verzögert und/oder erschwert. Erlitt der Arbeitnehmer beispielsweise einen Rippenbruch und nimmt – während Krankenstand – an einem Motocross-Rennen teil, handelt es sich hierbei um einen Entlassungsgrund. Bei psychischen Erkrankungen ist die Beurteilung der Verzögerung des Heilungsprozess oft diffizil, weshalb die Beiziehung eines auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwalts erforderlich ist.
Fazit
Die Entscheidung des OGH verdeutlicht, dass eine Entlassung nie unüberlegt ausgesprochen werden sollte. Dem Arbeitgeber muss bewusst sein, dass er den Entlassungsgrund beweisen muss. Der Arbeitnehmer kann die Entlassung bei Gericht anfechten oder eine Entschädigung (Kündigungsentschädigung) begehren.
Bei Fragen zu arbeitsrechtlichen Themen, insbesondere bei Fragen zur Kündigung und zur Entlassung stehen Ihnen mein Team und ich sehr gerne zur Verfügung.